Die Welle 2.0 oder Wie radikalisiert man Menschen

In dem legendären Film "Die Welle" fragen Jugendliche einen Lehrer wie es nur zum dritten Reich und dieser menschenverachtenden Ideologie kommen konnte. Der Lehrer beginnt ein Projekt in dem in ganz kleinen Schritten ein System eingeführt wird, dass dann immer mehr weiterhin mit kleinen teils fragwürdigen aber eben immer noch für die meisten akzeptablen Schritten ein autoritäres System eingeführt wird. Auch wenn dieser Film stark idealisierend ist, denn jene die dann in den Widerstand gehen, sind natürlich die hochreflektierten und klugen die die Sympathieträger sind, zeigt der Film wunderbar die grundlegenden Mechanismen auf wie man ein solches System etabliert. Was man dazu tatsächlich NICHT braucht, ist einen „Führer“.

Unbedingt nötig ist aber eine Trennung der Gruppe in die „Guten“ (Systemkonformen“ und die „Schlechten“ (Widerständigen). Man braucht auch zumindest den Anschein der moralischen Legitimierung. Weiters unbedingt notwendig ist die Informationshoheit um die „richtigen“ Informationen zu verbreiten (Propaganda).

Eines der bekanntesten Experimente der Psychologie ist das Milgram-Experiment in dem überprüft wurde, wie sehr Menschen Autoritäten  (heute werden sie in den Medien „Experten“ genannt) folgen und nur auf deren Anweisungen hin anderen Menschen schmerzhafte Stromstöße verabreichen unter dem Vorwand eines wissenschaftlichen Experimentes. Wesentlich ist dabei vor allem der wahrgenommene Status der Autorität (z.B.: weißer Kittel). Was aber mehr als alles andere die Compliance der Studienteilnehmer untergrub war, wenn es unterschiedliche Meinungen unter den „Experten“ gab. Menschen die bereits moralische Zweifel am eigenen Tun haben, brechen das Experiment sofort ab, wenn eine weitere Autorität ebenfalls Zweifel am Experiment anmerkt. Es ist also für die Durchsetzung von fragwürdigen Maßnahmen unbedingt nötig eine „Einheitsmeinung“ zu produzieren. Ganz übel wären hier Nachrichten wie solche, dass mehr als 200 Ärzte und Menschen aus dem Gesundheitsbereich gegen den vermeintlich „wissenschaftlichen Konsens“ auftreten.

Hier muss man schnellstmöglich einerseits, „Message Control“ ausüben, also diese Nachricht umwandeln und die Expertise der Demonstranten in Zweifel ziehen in dem man medial nicht erwähnt, dass es sich um entsprechende Fachleute handelt und am besten man würzt das noch mit einem abstrusen Tweet, nachdem irgendwer meint man werfe Impfstoff aus Hubschraubern ab. Eine weitere Möglichkeit ist, dass man erwähnt dass auch zwei Menschen wegen rechtsextremer Symbole festgenommen wurden. Und schon sieht die Demonstration aus wie eine Ansammlung von Aluhutträgern, Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen. Das Einheitsnarrativ ist gerettet und praktischerweise gibt es schon eine Gruppe die man als „Sündenbock“ präsentieren kann. Die Ungeimpften, Unbelehrbaren, Unsolidarischen die denen „die alles Richtig gemacht haben“ (Zitat Kurzeitkanzler Schallenberg) das Leben vermiesen, weil sie an Maßnahmen, wie einem Lockdown schuld sind.

Menschen die ein Anliegen haben und dann so von Politik und Medien behandelt werden, weiche der „Message Control“ aus. Sie bilden ihrerseits ein Gruppenbewusstsein, dass sich in Abgrenzung und im Gegensatz zum „Mainstream“ konstituiert. Man sucht alternative Medien und Kanäle des Austausches. Das Spektrum ist dann ziemlich groß, denn die Gemeinsamkeit ist ja das „Dagegensein“. Wenn die Gruppe groß genug ist findet sich auch eine politische Vertretung, die einen Extremstandpunkt vertritt um möglichst viele dieser alternativen Gruppe zu binden.

So wird dann dem „Einheitsnarrativ“ ein „Gegennarrativ“ entgegengestellt, dass um nichts besser ist als das des Feindes. Ja des Feindes, denn beide Nutznießer dieser Spaltung tun nun alles um die andere Seite zu diskreditieren. Eine relevante Vertretung von Meinungen und Interessen der gemäßigten Mehrheit fehlen, denn im Sog der Einheitsmeinung und dem Informationsmonopol haben sich längst alle hinter dem „Einheitsnarrativ“ versammelt und sind kaum voneinander abgrenzbar. Es gibt nur noch „uns“ (gut) und „die anderen“ (böse).

Vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass die Grundfrage anhand diese Spaltung erfolgt, dabei keine besonders große Rolle spielt. Lediglich die Struktur ist von Belang. Besonders eignen sich Themen die Angstbesetzt sind, da sich diese der rationalen Bewertung oft, zumindest teilweise, entziehen.

Früher (und in vielen Bereichen auch noch heute) haben sich solche Spaltungen anhand von unterschiedlichen Glaubensrichtungen oder Ethnien vollzogen. Aktuell erleben wir sie anhand der Bedrohung durch eine Krankheit, Covid-19.

In diesem speziellen Fall wäre die grundlegende Frage, im Gegensatz zu Religions- und Glaubensfragen, sogar eine die vermeintlich entscheidbar wäre. Doch das ist in vielen Fällen ein Irrtum und basiert auf dem grundlegenden Unverständnis der Prozesse der Wissenschaft. Wissenschaftliche Ergebnisse sind in den meisten Fällen eben nicht eindeutig. Wissenschaft ist auch nicht objektiv und wie wir gerade sehr deutlich sehen auch nicht politisch oder ökonomisch unabhängig. Das Idealbild von Prozessen die objektiv und unabhängig „Wissen schafft“ oder sogar Wahrheiten begründet ist mit der realen Ausprägung ungefähr so vereinbar wie Jesus tradierte Aussagen mit der Inquisition.

Die meisten wissenschaftlichen Forschungsgebiete sind eben sehr komplex und eben nicht trivial und eindeutig. Dementsprechend liefern Untersuchungen mit unterschiedlichen Ansätzen, Vorannahmen und Methoden oft widersprüchliche Ergebnisse. Menschen benutzen nun einzelne dieser Studien um den Anspruch zu erheben eine Meinung zu rechtfertigen. Dabei ignorieren sie alle Studien, die zu gegenteiligen Ergebnissen kommen oder deuten die Ergebnisse oft sehr kreativ um die eigene Meinung zu rechtfertigen. Dieses Vorgehen pervertiert geradezu den wissenschaftlichen Diskus, sowie die autoritäre Herrschaft der von einer Mehrheit gewählten Regierung über eine Minderheit, das Wesen der Demokratie pervertiert.

Es wäre ein Fehler anzunehmen, dass dies auf irgendeinem Plan oder einer geheimen Agende einer verborgenen Gruppe basiert. Eigennutz, mangelndes Verständnis von menschlichem Verhalten und ein ordentlicher Mangel an Selbstreflexion, gepaart mit moralischer Überheblichkeit reicht völlig aus um so etwas zu bewerkstelligen. Journalisten die eine neue Art von Journalismus betreiben und nicht mehr vermeintliche Fakten berichten, ja dies nicht einmal versuchen, sondern Meinungen „transformieren“ wollen, also Meinungen machen. Natürlich immer für einen „guten“ Zweck. Der transformative Journalismus will nicht mehr möglichst unabhängig informieren, sondern belehren. Dass man damit die jeweils Mächtigen gütig stimmt ist ein angenehmer Nebeneffekt. Berufspolitiker die sich im Spiel mit und um die Macht erschöpfen und plan- und visionslos Umfrageergebnissen hinterherjagen und in der Sache über die sie entscheiden kaum Ahnung haben tun ein übriges. Man holt sich die Berater die der eigenen Weltanschauung entsprechen und Experten die präsentabel ihre fünf Minuten medialen Ruhms nutzen um das Einheitsrarrativ zu stützen. Echte Experten mit differenzierter Betrachtungsweise sind hier medial eher störend. Komplexe und differenzierte Botschaften sind in der modernen Medienlandschaft eher ein Greul.

So sitzen in den Ausschüssen, Steuerungsgruppen und Kommissionen schlussendlich Menschen die sehr ähnliche Ansichten haben, möglichst wenig Bandbreite und eingeschränkte Horizonte. So ist die Expertise der jeweiligen Corona-Gruppen höchst eingeschränkt auf wenige Bereiche und selbst dort kaum ein echtes Abbild der wissenschaftlichen Pluralität. Dazu kommt der Einfluss von ökonomischen Vereinigungen. All das reicht um Entscheidungen zu treffen und zu rechtfertigen die nicht nur wenig faktenbasiert sondern zum Teil völlig irrational sind. Das Ganze ohne Verschwörung oder geheimen Mächten.

Seit jeher wurde mangelndes Verständnis von komplexen Prozessen gelöst in dem man all das was man nicht versteht, zwar nicht versucht zu erforschen, sondern die Komplexität auf die Schuldfrage zu reduzieren und einen Sündenbox zu opfern. Wenn etwas schief läuft muss jemand schuld sein. Mächtige lieben Macht, schon viel weniger lieben sie Verantwortung und schuld wollen sie schon gar nicht sein. Man generiert unter dem Applaus der vermeintlich moralisch überlegenen „WIR-Gruppe“ also dich schuldige „DIE_ANDEREN-Gruppe“. Besonders Engagierte ohne die keine WIR-Gruppe auskommt, diffamieren und denunzieren. Früher nannte man sie „Blockwarte“ die sich für die Einhaltung menschenverachtender Regeln verantwortlich gefühlt haben.

Aus all diesen Elementen erschafft sich in Selbstorganisation eine Gesellschaft die durchaus menschlich ist, auch wenn wir das vorgehen in Verkennung der menschlichen Natur als „unmenschlich“ beschrieben.

Rufe nach einer „Abrüstung der Worte“ und einer Deeskalierung sind sehr zu begrüßen. Sie können aber nicht mit der Forderung begleitet sein, dass endlich eine der Gruppen (meist DIE_ANDEREN) Vernunft annimmt und dem Einheitsnarrativ folgen sollen. Solche Scheinnanäherungen sind lediglich eine weitere Eskalationsstufe.

Je weiter die Minderheit ausgegrenzt und sanktioniert wird umso mehr radikalisiert sie sich. Schlussendlich ist es vorhersehbar, dass besonders Extreme gewaltbereit werden, einerseits um eigene Aggressionen unter dem Deckmantel einer Art Freiheitskampf auszuleben, andererseits aber auch um sich aus einer subjektiv wahrgenommenen Ausweglosigkeit zu befreien (und natürlich wird das nicht Rechtfertigbare ebenfalls moralisch gerechtfertigt). Opfer gibt es auf beiden Seiten und die eigentlichen Täter waschen wie früher ihre Hände in Unschuld und verurteilen diese Gewalt und antworten ihrerseits auf dieselbe Weise.

Wollen wir das wirklich?

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