Erwartungswerte

Zum Artikel in derstandard.at vom 18.3.2022 (https://www.derstandard.at/story/2000134239889/unzufriedenheit-in-der-gecko-kommission-gerry-foitik-zieht-sich-zurueck)

Der Rettungskommandant Foitik hat sich kürzlich aus der GECKO-Kommission zurückgezogen und das ist gut so. Denn er begründet seinen Rückzug damit, dass die Aufhebung vieler Maßnahmen zu früh erfolgt ist, denn wöchentlich würden 200 Menschen an Corona sterben.

Diese Aussage zeigt leider, wie wenig die sogenannten Experten im Stande sind, mit Zahlen korrekt umzugehen.

Gerade in einer Position, die dazu führt, dass die eigene Meinung als „Expertenmeinung“, ja sogar als Fakten verstanden werden, hat man eine Verantwortung für die Korrektheit der genannten Zahlen. Stimmt nun die Zahl der 200 Personen, die pro Woche an Corona versterben? An den ersten 25 Märztagen sind nach Angaben des ORF 616 Menschen gestorben, die positiv getestet waren, das bedeutet einen Schnitt von 34,64 Personen pro Tag und damit 172,48 Personen in der Woche. Also NICHT die von Hr. Foitik genannten 200 Personen pro Woche. Jetzt kann man sagen, dass man in einem solchen Fall durchaus großzügig aufrunden kann, schließlich gibt es ja eine unbekannte Dunkelziffer. Also kann man guten Gewissens mit einer gewissen Großzügigkeit sagen, dass es „so zirka“ 200 Menschen pro Woche waren, die an Corona gestorben sind?

Nein, denn Herr Foitik behauptet, dass 200 Menschen pro Woche AN Corona gestorben sind, die 616 Personen sind allerdings im März MIT Corona gestorben und das macht in diesem Fall einen besonders großen Unterschied. Hier kommt der sogenannte Erwartungswert ins Spiel. Wir müssen nämlich herausfinden, wie viele Menschen normalerweise sterben. Je höher die Anzahl der positiv Getesteten ist, desto höher ist dieser Erwartungswert. Bei einem Anteil zwischen 5 und 10% von positiv Getesteten an der Gesamtbevölkerung bedeutet das: ziemlich viele Menschen sterben MIT Corona.

Woher wissen wir, wie viele Menschen üblicherweise sterben? Im Jahr 2019 (also vor Corona) sind in Österreich 83.386 Menschen (rund 83.400 Personen) verstorben. Setzt man dies in Relation zur Gesamtbevölkerung von 8,88 Mio Einwohnern im Jahr 2019, kann man ableiten, dass im Schnitt in einem Jahr 0,93% der Bevölkerung verstirbt. Diese Menschen sterben entweder an einer Krankheit (Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes, …) oder aber sie erliegen einem Unfall oder sonst einem Unglück.

Derzeit sind offiziell rund 450.000 Personen positiv getestet. Unsere Erwartung wäre also, dass von diesen 450.000 Personen die zuvor genannten 0,93% - unabhängig von Corona – in diesem Jahr gestorben wären, das wären 4.225 Personen im Jahr oder rund 82 Personen pro Woche, die gestorben wären, auch, wenn sie kein Corona bekommen hätten. In den ersten 25 Märztagen des heurigen Jahres sind jedoch 616 Personen mit Corona verstorben, das sind rund 173 Personen pro Woche.

Das bedeutet, dass im März 2022 pro Woche aus dieser Gruppe von 450.000 Personen pro Woche um 91 Menschen mehr verstorben sind, als wir eigentlich erwarten würden – wir haben also eine sogenannte „Übersterblichkeit“. Bei dieser Übersterblichkeit kann man nun diskutieren, ob diese nun an oder mit Corona gestorben sind, aber da sie ansonsten in diesem Jahr nicht gestorben wären, wird Corona eine ursächliche Todesursache gewesen sein – oder anders gesagt: diese 91 Menschen, die pro Woche zusätzlich gestorben sind, sind das Maximum an Menschen, die AN Corona gestorben sein können (denn die anderen 82 Personen wären auch ohne Corona verstorben, dh, hier ist Corona eine Nebendiagnose – sie sind also MIT Corona gestorben). Rechnet man übrigens mit einer 50% Dunkelziffer bei den positiv Getesteten, kommt man statt der 82 AN Corona Verstorbenen auf 52 Personen.

Wenn nun Herr Foitik von 200 Personen pro Woche spricht, die derzeit AN Corona sterben, berücksichtigt er den Erwartungswert der Sterbefälle, die – unabhängig von der Coronainfektion – in jedem Fall gestorben wären, nicht. In dieser Betrachtungsweise wäre jede Person, die zum Zeitpunkt ihres Todes mit Corona infiziert ist, AN Corona gestorben (auch, wenn die tatsächliche Todesursache ein Autounfall, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall ist). Die Schweiz gibt die Letalität für die Omicron-Variante mit 0,04% an, was sich mit den Berechnugnen in diesem Artikel weitgehend deckt. (Zum Vergleich die saisonale Grippe hat eine Lethalität von etwas unter 0,1%) (Quelle: https://www.srf.ch/news/schweiz/gefaehrlichkeit-der-variante-ist-omikron-jetzt-mit-der-grippe-vergleichbar)

Unbestrittenerweise sterben derzeit viele Menschen. Und es liegt in der Natur des Menschen, dass man versucht, Todesfälle zu vermeiden, wo es möglich ist, da wir den Wert des Lebens sehr hoch einschätzen. Leider wird bei den Maßnahmen, die gesetzt werden, um Todesfälle zu vermeiden, nicht mit eingerechnet, welchen Schaden diese Maßnahmen bei der Bevölkerung, die diese Maßnahmen tragen muss, verursacht. Dies sind natürlich einerseits wirtschaftliche Schäden, aber auch Schäden an der psychischen Gesundheit der Bevölkerung (und hier in einem überproportional hohen Verhältnis bei den Kindern und Jugendlichen, wo psychische Krankheiten wie Essstörungen und Depressionen geradezu explodieren), deren Kosten wir erst in den nächsten Jahren im vollen Ausmaß erkennen werden – von den zukünftigen Kosten der Gewichtszunahme und des Bewegungsmangels aufgrund der Bewegungsbeschränkungen mal abgesehen.

Es wird von der Bevölkerung Solidarität gefordert, diese Solidarität ist jedoch sehr einseitig, zugunsten jener, deren Todesfälle wir um jeden Preis zu verhindern versuchen – die Solidarität mit jenen, die langfristig unter den Maßnahmen leiden werden, ist jedoch nicht erkennbar.

Und auch die Tatsache, dass sich alle „Experten“ immer in dieselbe Richtung irren (und damit jede Normalverteilung Lügen strafen), führt zur Frage, ob hier ein Kalkül zugrunde liegt – wenn dem so ist, dann wäre das in einer freien Gesellschaft nicht tolerierbar.

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