Das „System Kurz“ – Korruption, Lügen und Freunderlwirtschaft

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Wie es zu Kurz kam

„Das war ja in Österreich immer schon so und die anderen machen das ja auch. Die ganzen Politiker sind….“ (setzen Sie hier nach Bildungsstand entsprechend ein). Die Idee, dass Politiker ihr Amt im Dienste des Landes ausüben, scheint tatsächlich kaum jemand in Österreich zu glauben. Doch einigermaßen schleichend hat sich in diesem Land eine ganz spezielle Kultur breit gemacht, die offenbar dem Großteil der Wählerinnen und Wählern besonders attraktiv erscheint.

Anfangs allerdings weniger, denn der Vater dieser „Macht um jeden Preis“- Kultur ist der politische Ziehvater des jetzigen Bundeskanzlers, Wolfgang Schüssel. Als damals Wahldritter hat er sich selbst in einem politischen Coup d‘ État das Amt des Bundeskanzlers mit dem Rechtsaußen Jörg Haider gesichert. Seine eigene Aussage, als Dritter in Opposition zu gehen, war vergessen. Es begann alles mit einer Lüge, und so sollte es weitergehen. Viele der jetzt zu Tage tretenden Skandale geht auf diese Zeit zurück. Die Politisierung des Innenministeriums unter so schillernden wie kriminellen Charakteren wie Ernst Strasser tritt erst jetzt in vollem Ausmaß zu Tage. Politische Strippenzieher und Informanten sind heute Gegenstand von Hausdurchsuchungen und Ermittlungen einer der letzten scheinbar unbeeinflussten Behörden, der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft. Dafür wird diese vom Kanzler in einer Weise angegriffen, die einem Bundeskanzler unwürdig und für das Land schädlich ist.

Wir erinnerun uns auch noch immer an den Finanzminister Karl-Heinz Grasser, welcher der Republik und damit den Steuerzahlern vermutlich Millionenschäden verursacht hat. Hubert Gorbach, der Freund des weißrussischen „letzten Diktators“ Europas, und ähnliche Menschen haben in Österreich unter Wolfgang Schüssel Ministerämter bekleidet. Mit Wolfgang Schüssel beginnt auch der massive Zugriff der Politik auf die Medien, insbesondere auf den ORF. Natürlich waren Medien immer Ziel von Begehrlichkeiten durch das politische System. Das System des Stiftungsrates wurde 2001 mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ beschlossen und 32 der 35 Stiftungsräte lassen sich direkt politischen Parteien zuordnen. Pointiert gesagt wird der ORF von den Staatsbürgern bzw. den Beitragszahlern finanziert und von politischen Parteien gelenkt. Unabhängigkeit sieht wohl anders aus.

Das ist das Klima, in dem Sebastian Kurz ÖVP-sozialisiert wurde. Sein erstes relevantes Amt trat er 2009 als Obmann der jungen ÖVP an. Seine höchste abgeschlossene Ausbildung ist die Matura. An einem begonnen Jus-Studium scheiterte er. Außer politische Funktionen (Gemeinderat, Integrationsstaatssekretär und Bundesminister) hat der heutige Bundeskanzler keinerlei Berufserfahrung. Sein wohl größter politischer Erfolg ist die minutiös geplante Übernahme der ÖVP mit dem „Projekt Ballhausplatz“ und die Umwandlung der Partei von einer christlich-sozialen Ausrichtung zu einer Partei der „Besitzenden“ (Zitat Reinhold Mitterlehner im Ibiza-U-Ausschuss) mit rechtspopulistischen autoritären Zügen.

Politische Erfolge?

Schauen wir uns die politischen Erfolge von Sebastian Kurz an. Am 14.Mai 2017 übernahm Kurz die ÖVP, die sich in Koalition mit der SPÖ befand und brach prompt Neuwahlen vom Zaun. Mit der rechtspopulistischen FPÖ unter H.C. Strache leitete er eine Regierung, die in Skandalen, die gerichtliche Nachspiele haben, seinem Mentor Wolfgang Schüssel um nichts nachstand. Nach Bekanntwerden des legendären „Ibiza-Videos“ beendete Kurz auch diese Regierung. In Erinnerung bleibt die sehenswerte Rede zur Regierungsbeendigung, in der sich Kurz als Opfer der FPÖ darstellte und angab, in der Koalition „viel erduldet zu haben“. In der folgenden Wahl verlor der Koalitionspartner FPÖ massiv und stand nicht mehr für eine Koalition zur Verfügung. Der Wahlgewinner „Die Grünen“ sprangen dankbar ein und befinden sich bis zum heutigen Tag in einer Koalitionsregierung mit der Kurz-ÖVP. Immerhin der dritte Partner in nur vier Jahren.

Der vielzitierte Ibiza-Skandal sowie der Skandal um den BVT wirkten noch nach. Dabei geht es im Wesentlichen um Korruption, Freunderlwirtschaft und Packelei. Mittendrinnen der brave Kurz-Dienstleister Wolfgang Sobotka, der - obwohl selbst verwickelt - noch immer Leiter des Untersuchungsausschusses mit zum Teil eigenwilliger und keinesfalls unabhängiger Verfahrensleitung ist. Sobotka steht dem Alois-Mock-Institut vor, das unter anderem von Novomatik € 55.000,-- für ein nutzloses Inserat im hauseigenen Magazin „Report“ bezahlt bekommen hat.

Vielleicht erinnern Sie sich ja noch, am 21.2.2021 versuchte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in der wieder aufgeflammten Parteispenden-Causa zu beruhigen. Er legte eine eidesstattliche Erklärung vor, wonach es von der Novomatic weder Spendengelder an die ÖVP noch an ÖVP-nahe Vereine gegeben habe. (https://www.vienna.at/spenden-bluemel-praesentiert-eidesstattliche-erklaerung/6894940). Zu diesem Zeitpunkt waren die Zuwendungen von Novomatic an das Alois-Mock-Institut längst öffentlich bekannt. (https://www.derstandard.at/story/2000120068945/das-system-niederoesterreich-erklaert-an-sobotkas-alois-mock-institut).

Lassen Sie uns noch ein bisschen bei dem Finanzminister Gernot Blümel bleiben, einem engen persönlichen Freund von Sebastian Kurz. Mit seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss, dass er sich nicht erinnern könne, ob er überhaupt ein Notebook besitze bzw. er glaube er habe keines, hat er das ganze Land unterhalten. Ob so eine Verhöhnung einer demokratischen Einrichtung tatsächlich zum Lachen ist, bleibt wohl dahingestellt. Jedenfalls schickte der Finanzminister vor einer Hausdurchsuchung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft seine Gattin mit dem, offenbar neu angeschafften, Notebook spazieren und erst eine Stunde später brachte sein Kabinettschef das Gerät zurück. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, die aber durch solche Handlungen wohl extrem strapaziert wird. Doch offenbar hat Blümel generell Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis. Er leugnet auch, dass es eine Kostendeckelung für die Impfstoffbeschaffung gab. Den Wortlaut „bis zu 200 Mio“ sieht er nicht als Begrenzung. Damit ist Blümel ganz direkt auch Mitverursacher der derzeitigen Impfstoffknappheit. Mit Wissen und Billigung seines Freundes, des Kanzlers, der in einem noch immer mysteriösen Medienauftritt die Beschaffung der Impfstoffe kritisiert hat, die mit Carl Auer ein Parteifreund im Steeringboard mitzuverantworten hat. Angeblich war Kurz nicht informiert, was zahlreiche, vor allem internationale, Medien in Abrede stellen.

Die Aussagen von Kurz‘ Vertrauten, so unverschämt sie sich vor dem Untersuchungsausschuss auch gebärden, zeigt, wie bedenklich das „System Kurz“ tatsächlich ist. Längst sind Spenden von all jenen Menschen bekannt, die H.C. Strache im Ibiza Video nennt. „Novomatic zahlt alle“ trifft jedenfalls auf das Alois-Mock-Institut von Herrn Sobotka zu. Wenn man den vorliegenden Beweisen und den Aussagen folgt, zeigt sich, wie unter der ÖVP/FPÖ-Regierung Posten besetzt wurden. Das betrifft den Posten des Finanzvorstand der Casinos-Austria, Peter Sid.o (https://www.derstandard.at/story/2000124287761/ex-casinos-vorstand-sidlo-in-klage-wegen-abberufung-einvernommen) und seit kurzem den Vorstand der ÖBAG, Thomas Schmid, der sich der Unterstützung seiner Bewerbung durch eigens für ihn ausgewählte Aufsichtsräte sicher sein konnte. Eben dieser Aufsichtsrat sah heute „keinen Handlungsbedarf“. Wieso auch, schließlich wurden die Damen (hier gab es wohl einige Probleme, wenn man den Chats glauben darf) und Herren zu genau dem Zweck bestellt, Herrn Schmid in diese Position zu hieven und einen Ausschreibungsprozess mit seiner Mithilfe so zu gestalten, dass er als einziger Kandidat dem Profil entsprach. Übrigens verschwanden entsprechende Artikel von der Website der größten Boulevardzeitung „Krone“ noch am selben Tag der Veröffentlichung. Rene Benkö gilt als Kurz-Freund und hat sich schon 2018 Anteile an der Krone gesichert. Benkö verdankt Sebastian Kurz ein paar offenbar sehr lukrative Geschäfte. So erhielt er um 60 Mio. EUR den Zuschlag für das ehemalige Leiner-Haus auf der Wiener Mariahilfer Straße, obwohl ein Angebot über 90 Mio. EUR vorlag. Sebastian Kurz intervenierte offenbar öfter persönlich. Ein paar Millionen verdankt Benkö wohl auch der Geschäftsuntüchtigkeit der Wirtschaftkammer, die das Gewerbehaus am Rudolf Sallinger-Platz um etwas mehr als 17 Mio. EUR an ein Unternehmen im Dunstkreis von Benkö verkaufte, das von Benkö innerhalb eines Monats um über 30 Mio. EUR weiterverkauft wurde. (https://www.heute.at/s/benko-deal-so-staubt-man-14-millionen-euro-ab-42597121).

Kurz-Mastermind Stefan Steiner erklärte auf die Frage, wie es komme, dass so viele Spender an die ÖVP heute in staatsnahen Bereichen Aufsichtsratsposten bekleiden, dass dies ein normaler Vorgang sei und sie nur dorthin kommen, wenn die Qualifikation auch passt. (https://orf.at/stories/3203703/). So wurde die Rechtsanwältin Teresa Pagitz 2018 in den ÖBB-Aufsichtsrat gewählt, nachdem sie nach eigenen Angaben 2017 und 2019 je 15.000 EUR an die ÖVP gespendet hat. (https://orf.at/stories/3191231/)

Alle diese Informationen sind öffentlich zugänglich. Mündigen Bürgern sollte es leichtfallen, dahinter ein System zu erkennen. Eines, das eben nicht so funktioniert, wie es in Österreich eben „eh immer war“. Die politischen Freunde von Kurz sind autoritäre Staatsführer wie Viktor Orban, den erst kürzlich Wolfgang Schüssel in einem Weisenrat der Europäischen Volkspartei „freigesprochen“ hat. Die Abgeordneten der ÖVP in der EU waren auch jene, die gegen den Hinauswurf von Orbans Partei votierten, blieben aber glücklicherweise in der Minderheit. Insgesamt ist das Verhältnis der konstruktiven Kräfte in der EU und dem Rechtspopulisten und Machtmenschen Kurz angespannt.

Warum regiert Kurz noch immer?

Nun stellt sich die Frage, wie ein Mensch, der all das (und mehr) zu verantworten hat, noch immer Bundeskanzler in diesem Land sein kann. Ein Misstrauensvotum hat nicht gereicht, um die politische Karriere von Sebastian Kurz zu beenden. Seine Kernwählerschaft aus Pensionisten, Beamten und Bauern steht trotz allem zu ihrem Sebastian. Ein politisches Vakuum in der Opposition scheint ein weiterer Grund zu sein, warum die Unterstützung für Kurz noch immer so groß ist. Die größte Oppositionspartei SPÖ reibt sich zwischen einer unpopulären Spitzenkandidatin, die in der Coronakrise durch einen sagenhaften Zickzack-Kurs auffällt, und dem Linkspopulisten Doskozil aus dem Burgenland auf. Die FPÖ leidet noch immer unter den Nachwirkungen der Ibiza-Affäre, erstarkt aber in der Corona-Krise durch Fundamentalopposition und vereint Rechtsaußen mit Verschwörungstheoretikern und Aluhutträgern, bietet aber als Einzige eine Alternative zum Regierungskurs. Die Grünen zerreiben sich in der Koalition und in der Handschrift der Grünen in der Regierung ist offenbar geschrieben: „Ja, Sebastian, sehr gerne Sebastian“. Und dann gibt es noch die NEOS, die im Untersuchungsausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit sehr gute Arbeit leisten, aber mit einem antisozialen Habitus wohl niemals eine Massenpartei werden können. Gäbe es also mündige Bürger, hätten diese ersthafte Entscheidungsprobleme. Dem Großteil ist es aber offenbar völlig gleich, was „die da oben“ treiben und unser Basti noch immer „a so a liaba Bua“ ist.

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