Der ORF hört nicht auf..Covid-Berichterstattung auf niederstem Niveau

Auch heute wieder der obligatorische COVID-Bericht auf ORF.at. Unter dem Titel „Long Covid: Hohe Nachfrage in Ambulanzen“ (https://wien.orf.at/stories/3187894/) liefert der ORF wieder Journalismus auf niedrigstem Niveau ab. Ohne jeden Beleg wird eine „Expertin zitiert. In diesem Fall die Kardiologin Mariann Gyöngyösi offenbar von der internistischen Post-Covid-Ambulanz im Wiener AKH. Wie so oft bringt der ORF statt Fakten, als Fakten getarnte Einzelmeinungen, die nicht näher begründet werden. Hie rein paar Aussagen aus dem Artikel:
„Je weniger Organschäden durch Long Covid angerichtet worden seien und je besser die Laborwerte seien, umso besser ist laut der Ärztin auch die Prognose.“ Echt jetzt? Je weniger Schäden und je besser die Werte desto besser die Prognose? Wirklich? Für diese Aussage bedarf es wohl keinerlei Expertise.
„Seit Omikron treffe Long Covid allerdings ‚nur mehr drei bis fünf Prozent der Erkrankten‘. [In einem Forschungsprojekt sucht Gyöngyösi nach Biomarkern, mit dem Ziel, Long Covid besser behandeln zu können.] Bei früheren Varianten hätten noch zehn bis 37 Prozent Long Covid bekommen.


Neben schlechtem Schreibstil fehlt für diese quantitative Aussage jeglicher Beleg. Auf der internistischen Post-Covid-Ambulanz im Wiener AKH wurden bisher 400 Personen behandelt. Nicht angegeben ist dabei in welchem Zeitraum das erfolgte, also vermute ich, dass es sich um insgesamt 400 Personen handelt. Davon war scheinbar die Behandlung ziemlich wenig erfolgreich, da, wie in dem Artikel ebenfalls steht, „40 bis 50 Prozent der Patienten berichten, dass nach mehreren Monaten die Symptome zumindest verbessert werden oder sogar ganz verschwinden“. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Behandlung bei 50-60% keinerlei Verbesserung bringt. Kein Ruhmesblatt für die Ambulanz. Was aber die eigentliche Aussage ziemlich absurd macht sind die angegebenen Prävalenzzahlen für Long-Covid. Hier spricht die „Expertin“ von 10-37% Long-Covid-Fällen für die Wellen Alpha bis Delta und nun 3-5% in der Omicronwelle. Wenn wir davon ausgehen, dass es eine zweite Ambulanz im AKH gibt, und diese einen ähnlichen „Ansturm“ erlebt wie die auf der Dr. Gyöngyösi arbeitet also auch ganz 400 Patienten betreut haben wir in Wien also insgesamt 800 behandelte „Long-Covid“-Fälle.
Dazu müssen wir uns einmal ansehen was „Long-Covid“ überhaupt ist. Hier hilft ein Artikel des Robert-Koch-Instituts (RKI), das schreibt: „Die bereits Ende 2020 veröffentlichte Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) definiert ‚Long COVID‘ als gesundheitliche Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase einer SARS-CoV-2-Infektion von 4 Wochen fortbestehen oder neu auftreten“.
(https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Long-COVID_Definition.html)
Wir sehen hier, dass „Long-Covid“-Symptome sehr diffus und unbestimmt sind, ja sogar nicht in allen Fällen überhaupt eine kausale Folge von Covid sein müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es höchst wahrscheinlich, dass eine Covid-Infektion gesundheitliche Folgen über die eigentliche Infektionsphase hinaus hat. Es steht aus meiner Sicht außer Frage ob es so etwas wie „Long-Covid“ gibt. Allerdings ist tatsächlich völlig unklar welche Folgen, in welchem Ausmaß hier als Folgeerscheinungen tatsächlich auftreten. Wir wissen dazu einfach noch zu wenig. Zahlreiche dieser Folgeerscheinungen scheinen auch einen großen psychischen Anteil zu haben. Was sie keineswegs weniger leidvoll für die Betroffenen macht. Wie steht es aber nun mit den angegebenen Werten, von denen im Artikel berichtet wird?
Derzeit weist das AGES-Dashboard knapp 5,7 Mio. bestätigter Infektionen aus. Dazu kommt noch eine unbekannte Dunkelziffer. Omicron wurde im Dezember 2021 zur dominanten Variante. Zu diesem Zeitpunkt gab es rund 1,2 Mio. bestätigte Infektionen in Österreich. Rechnen wir mit dem untersten angegebenen Wert für Long-Covid-Beschwerden nämlich 10% müssten bereits zu diesem Zeitpunkt rund 120.000 Menschen Long-Covid-Symptomatiken aufgewiesen haben. Der obere Wert läge bei 444.000 Österreichern. Seit dieser Zeit sind nochmals 4,5 Millionen Infektionen bestätigt. Rechnen wir der Einfachheit halber hier mit dem Mittelwert von 4%, also nochmals 180.000 zusätzlichen Long-Covid-Fällen. Insgesamt müssten laut Frau Dr. Gyöngyösi in Österreich also zwischen 300.000 und 624.000 Long Covid-Fälle in Österreich aufgetreten sein. Wenn wir die Werte aus Wien auf die Gesamteinwohnerzahl von Österreich umrechnen (Bewohner Wien: ca. 1,9 Mio – damit ca. 21% der Gesamtbevölkerung Österreichs) und außer Acht lassen, dass vermutlich einige Bewohner aus Niederösterreich in Wien behandelt werden, ist die Anzahl der insgesamt Behandelten maximal 3.800, was im Vergleich der angeblich mehreren hundert Tausend an Long-Covid leidenden ziemlich bescheiden ist, auch wenn natürlich jeder Einzelfall persönliches Leid bedeutet und nicht verharmlost werden darf. Wie wahrscheinlich ist es also, dass die von der „Expertin“ genannten Zahlen stimmen?
Dieser Beitrag folgt einer langen Reihe von unseriöser Berichterstattung die sich nicht an Fakten, sondern Einzelmeinungen und Einzelschicksalen orientiert. Sie tragen massiv zu falscher Risikoeinschätzung hinsichtlich Covid bei. Sie reihen sich nahtlos in Katastrophenszenarien ein, die laufen kolportiert wurden und trotz gegenteiliger Faktenlage weiterhin kolportiert werden. Damit wurden und werden Maßnahmen begründet die ebenfalls nicht auf Fakten gründen. Wenn man also zu Recht Verschwörungstheorien als solche anprangert und (zu Recht) Meinungen verurteilt, die nicht in Übereinstimmung mit Fakten stehen, wird es Zeit dasselbe Maß auch an die öffentliche Berichterstattung und den sogenannten Mainstreammedien anzulegen.
Glücklicherweise scheint die Pandemie nun wirklich beendet zu sein, auch wenn sich die panikmachenden Medien nun auf die Situation in China stürzen und in alt gewohnter Manier absolute statt relative Zahlen berichten. Im Pandemie Management wurden massive Fehler gemacht und diese waren nicht nur ökonomisch sehr teuer. Maßnahmen an Schulen, Panikmache bezüglich des Risikos in Schulen, Dummheiten wie die Impfpflicht und massive Eingriffe in die Privatautonomie, dazu Schutzmaßnahmen für wirkliche Risikogruppen, die insbesondere für Pflegeheime in der ersten Welle viel zu spät kamen.
Die Pandemie hat außerdem schwere Mängel in unserem Gesundheitssystem insbesondere den Spitälern aber auch soziale Ungerechtigkeiten in anderen beriechen aufgezeigt. Spitäler waren nicht wegen Covid überlastet, sondern wegen langjährigem krassen Missmanagement und Verfehlungen der Planung und der politischen Rahmenbedingungen. Es reicht nicht die Pflege zu akademisieren, im Gegenteil. Mängel in der Ausbildung aber vor allem totales Missmanagement machen den Pflegeberuf völlig unattraktiv. Während weitere „Experten“ diskutieren, müsste man lediglich einmal die Betroffenen fragen. Massive Überlastung, miserable Rahmenbedingungen wie mangelnder Möglichkeit den Dienstplan beeinflussen zu können, schlechte Bezahlung und zumindest was den Wiener Gesundheitsverbund betrifft zahlreiche weitere Mängel. Aber Hauptsache man muss dafür nun studieren. Die Akademisierung von Mangelberufen, also die Verlängerung und Vertheoretisierung der Ausbildung ist hier ebenso verfehlt wie in vielen anderen praktischen Berufen, aber das ist eben nur einer von vielen Puzzlesteinen, die aber alle im Bereich der Politik und Verwaltung liegen und bereits lange bekannt sind. Auch hier die Parallelen zu Ärzte- oder Lehrermangel.
Statt also laufend kontrafaktische Artikel über Covid zu schreiben, wären die Redakteurinnen des ORF gut beraten, wenn sie beginnen die Hand zu beißen, die sie offensichtlich laufend füttert um gefällige Berichterstattung zu bekommen.

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